This little thing called Context –

„Wenn der Kontext nicht zum Übersetzer kommt, muss der Übersetzer zum Kontext“

Wer in der Übersetzungs- und Lokalisierungsbranche arbeitet, kennt das Phänomen: Ohne Kontext ist man schnell „lost in translation“. Darüber können auch unsere Project Manager und Language Specialists einen Roman schreiben.

Kontext, sei er verbal oder non-verbal, ist für Kommunikation entscheidend und trägt wesentlich zum allgemeinen Verständnis bei. Wie kann es also sein, dass es im Übersetzungsalltag häufig zu Situationen und Projekten kommt, in welchen der nötige Kontext fehlt?

Dieser Fragestellung sind wir auf den Grund gegangen und haben versucht, praktische Lösungsansätze zu diesem Thema zu erarbeiten.

Der Kontext fehlt – aber wieso?

Um diese Frage zu beantworten, mussten erstmal ein paar Reportings ausgewertet, E-Mails durchsucht und Kollegen ausgequetscht werden. Welche Projekte sind betroffen? Was sind die Umstände für fehlenden Kontext? Gibt es hier Zusammenhänge? Schnell haben sich 4 Projektarten herauskristallisiert, bei denen Kontext oft Mangelware ist.

Mikroprojekte

Mikroprojekte sind nicht unüblich. Das Marketing-Team braucht „mal schnell“ ein paar Zeilen übersetzt oder die Kommunikationsabteilung möchte mit einem kurzen Ausschnitt aus dem Newsletter das globale Team ansprechen.
Immer wieder erreichen unsere Project Manager E-Mails mit der Bitte, den folgenden Text „mal schnell“ übersetzen zu lassen.

„Wir brauchen eine Übersetzung vom Wort „home“ ins Italienische. Es eilt!“

Erster Gedanke „Ein Wort – gar kein Problem. Das haben wir ruckzuck übersetzt“. Bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch schnell heraus, dass sich die Übersetzung doch eher zu einer Art Quiz entwickelt, denn je nach Wortart und Zusammenhang wären gleich mehrere Übersetzungen denkbar.

Schauen wir noch mal auf unser Beispiel: Was ist hier vom Kunden gemeint?

a. Es ist einfach von einem Haus die Rede („Casa“)
b. Es wird im übertragenen Sinn von der Familie gesprochen („Famiglia“)
c. Oder wir sprechen hier eher von häuslich („domestica“)

Ohne Kontext lässt sich von diesem Begriff keine zutreffende Übersetzung anfertigen. Nach Konsultierung des Kunden stellt sich anschließend heraus, dass es weder a) noch b) oder c) ist, sondern die versteckte Lösungsantwort d) …

d. Es handelt sich um die Übersetzung des Home-Buttons auf der Webseite

Slogans

Für einen Language Specialist gleicht das Übersetzen von Slogans oft eher einer Brainstorming-Session. Slogans sind klein, kompakt und werden leider allzu oft mit wenig Kontext angefragt. Oft spielen sie mit Worten – eine wortwörtliche Übersetzung steht also meist außer Frage – und sie sind eng mit der Markenidentität des Unternehmens verknüpft.

Eine Formulierung zu finden, die den Geschmack des Kunden trifft, ist also eine echte Herausforderung.

„Bitte übersetzen Sie unseren Slogan „Make your life Grand“ ins Deutsche.

Als Language Specialist bleibt einem oft nichts anderes übrig, als verschiedene Optionen anzubieten und sich hier eng mit dem Kunden abzusprechen.
Ganz nach dem Motto: „Wenn der Kontext nicht zum Übersetzer kommt, muss der Übersetzer zum Kontext“.

Softwaretexte

Hinter Softwaretexten versteckt sich nicht selten eine einfache Ansammlung an losen Software-Strings. Aus beliebigen Systemen exportiert landen sie z.B. in Form einer Excel-Tabelle auf dem „Tisch“ des Language Specialists.

„Anbei finden Sie die Datei zur Übersetzung. Vielen Dank!“

Ohne Anmerkungen des Kunden oder einen Zugang zur direkten Umgebung der Terme tappt man als Language Specialist oft im Dunkeln.
Bei der Vielzahl an Möglichkeiten gleichen die Übersetzungen häufig den Antworten einer beliebten Quiz-Sendung der 90er mit dem Titel „Wir haben 100 Language Specialists gefragt … “

Updates oder „die Königin der kontextarmen Übersetzung“

Man bekommt etwas, aber was gehört da zusammen? Diese Szenarien nehmen seit einem Jahrzehnt zu – möglich gemacht durch Teilexporte aus Content-Management-Systemen oder auch durch die Sperrung von Segmenten innerhalb von Translation-Management-Tools.

Zunächst klingt der Ansatz super – man übersetzt nur noch die Inhalte, die wirklich neu sind, bereits vorübersetzte Inhalte bleiben von der Bearbeitung unberührt. Aber die Effekte auf den Kontext sind schnell offensichtlich: 10.000 Wörter, davon 8.000 gesperrt – da bleibt keine Zeit, alles durchzulesen.

Bei solchen Flickenteppich-Übersetzungen ist gute Planung und Feingefühl gefordert. Und auch ein gewisses Maß an Training der Language Specialists.

Kontext liefern – aber wie?

Hier 3 goldene tsd-Regeln („lessons learned“)

  • Kommunikation ist der Schlüssel zum Erfolg: Das mag für viele nach einer bloßen Floskel klingen, aber nirgends scheint sie wahrer als im Übersetzungsprozess. Nur durch stetige Kommunikation und aktiven Austausch aller Informationen kann eine hochwertige Übersetzung erstellt werden.
  • Eine gewissenhafte Vorbereitung ist die halbe Arbeit: Je mehr Informationen vorab weitergegeben und zugänglich gemacht werden können, desto schneller und akkurater können die Übersetzungen geliefert werden.
    Im Projektmanagement arbeiten wir daher gerne mit speziell entwickelten Checklisten, mit welchen Projektanforderungen vorab geklärt werden und so den Prozess wesentlich erleichtern.
  • Prozessevaluation:: Für jeden Inhalt sollten feste Prozesse etabliert und regelmäßig evaluiert werden, um eventuelle „loose Ends“ direkt abfedern zu können. Mit unseren Kunden stehen wir daher in regelmäßigen Jour Fixes in Kontakt, um Workflows zu streamlinen.